Mercedes 500 SL R129 – The Spooky One

Mercedes R129

Schon seit einiger Zeit sind wir auf der Suche nach einem netten Roadster für den Sommer. U.a. im Visier: ein Mercedes 500SL der Baureihe R129.

Neulich fand sich ein sehr interessantes Exemplar: ein 1992er 500 SL mit guter Ausstattung, 187tkm gelaufen, außen silber, innen schwarz, aus erster Hand vom Opa, sehr gepflegt, unfallfrei, technisch in Ordnung, komplett original und unverbastelt, für freundschaftliche 8,999€ , also sozusagen aus der Portokasse zu bezahlen.

Zu gut um wahr zu sein?

Kurzerhand angerufen, der Verkäufer bestätigte die Angaben.

Da mein Fuffi ein ähnlich günstiges Angebot war und sogar deutlich besser als erwartet, beschlossen wir, der Sache trotz langer Anfahrt einmal auf den Grund zu gehen. An einem heißen Sommertag gibt es eh kaum was angenehmeres, als im klimatisierten Auto zu sitzen, also auf ins Sauerland.

Bei 9k für nen R129 kann man doch eigentlich nicht viel falsch machen, oder?

Als wir schließlich ankamen war noch keiner da, was mir aber sehr recht war, so konnte man sich das Auto erstmal genauer betrachten.

Auf den ersten Blick sah die Fuhre recht gut aus…auf den zweiten jedoch sah man, daß einige Lackabplatzer extremst dilletantisch ausgebessert wurden waren. Der rechte Außenspiegel war komplett silber Matt nachgebessert….als wolle sich jemand peu a peu einen SL in der F01 Edition machen (diesnm häßlichen matt lackieren SLK, den es neuerdings gibt).

Mit den „noch guten“ Reifen möcht ich nicht bei Regen fahren, zudem schien das Hartop schon einmal von der Halterung gefallen zu sein.

Unfallfrei möcht ich mal so glauben, das Blech war in Ordnung, der Boden auf den ersten Blick auch.

Auf der linken Seitenwange des Fahrersitzes klaffte ein Loch, das Lenkrad war…sagen wir mal…porös.

Schließlich kam der sehr freundliche Verkäufer, offenbar Türke, Mitte 50, der uns auch als erstes sämtliche Macken zeigte, was ungewöhnlich ist, normalerweise heißt es immer „wie Steinschlag? Das hab ich noch gar nicht gesehen!“. Ich hab ja sonst immer meine Voruteile, aber der Typ war wirklich ein netter Mensch, da könnte sich so mancher BMW Verkäufer eine Scheibe abschneiden.

Von innen war der Wagen bis auf das Loch im Sitz einigermaßen gut erhalten, alles Elektrische funktionierte. Motorhaube auf….sauber….sehr sauber….zu sauber? Der gesamte Motorraum war mit irgendeinem Glanzzeugs behandelt, bei dem bei mir immer sofort alle Alarmglocken hochgehen.

Anlassen. Der V8 schüttelt sich wie der Schäferhund meines Nachbarn nach nem Bad im Gartenteich, läuft dann aber ruhig. Immerin, der letzte SL, den wir angesehen haben, hatte leiden gar keinen Saft mehr, war deutlich teuer und irgendwie spooky.

Hardtop abmachen – sogar mit elektrischer Verrieglung, die uns der Verkäufer begeistert zeigte – Softtop hoch.

Und was sehen wir? Genau: ein paar schöne Risse in der Heckscheibe.

Von innen finde ich die SL Verdeck einfach nur peinlich, weil komplett ohne Innenfutter, einfach nur primitiv. Selbst ein Z3 hat ein besseres Dach, und das ist auch ein Roadster.

Na ja, unsere Gesichter wurden immer länger….aber zumindest fahren wollt ich die Kiste mal.

Meine bisherigen Mercedes Fahrten beschränkten sich bislang auf Sprinter diverser Baureihen.

Einsteigen…die Tür fällt wie eine Tresortür ins Schloß, deutlich satter als beim E38. Mit geschlossenem Dach macht sich aber doch eine gewisse Klaustrophobie bei mir breit.

Anlassen, Gang rein, vorsichtig aufs Gas.

Und weiter aufs Gas und weiter aufs Gas und irgendwann setzt sich die Fuhre tatsächlich in Bewegung. Das Ganze fühlt sich so an, als würde man den Fuß in einen Teig drücken.

Der Auspuffsound ist sehr sportlich….ich weiß vom R230, daß SLs sich sportlicher anhöhren als die S-Pendantes, aber dieser Sound würde einem Porsche alle Ehre machen. Auch der Motor blubbert mächtig, schiebt aber einigermaßen. Drehmoment hat er auf jeden Fall, Leistung vermiss ich nicht wirklich.

Die Lenkung wirkt irgendwie eckig, kann aber sein, daß ich durch meine Servotronic verwöhnt bin. Gabs beim SL keine Parameterlenkung?

Das Verdeck wird an der nächsten Ampel wieder geöffnet. FREIHEIT!

Windschott hatta auch, dank Überrollbügel elektrisch aufklappbar…auch wenn dadurch der Innenspiegel seinen nutzen verliert.

Wir rollen langsam durch die Landschaft. Die Karosserie ist erstaunlich solide, kein Zittern, kein Klappern…auch nach 15 Jahren und viereinhalb Weltumrundungen…daran könnten sich andere Hersteller ein Beispiel nehmen. Das Fahrwerk ist recht komfortabel.

Leider verdeckt das Lenkrad einen Teil der Armaturen….und faßt sich offen gestanden einfach nur eklig verspeckt an. Wie anfangs bei meinem E38, der als erstes Ziel zum Lederzentrum gefahren und noch an der nächsten Tanke gereinigt wurde.

Hinter uns wird die Schlange immer länger…nach der nächsten Ortschaft sollte man vielleicht probieren, ob das Auto auch schneller als 50 fährt. Bisschen warm ist er auch….also

KICK-DOWN!

Und spätestens hier ist das Thema SL zumindest für meine Freundin erledigt.

Mit einem kräftigen Rucken schaltet die antiquierte 4-Gang Automatik zurück, der Motor brüllt los (die Anna übrigens auch), daß es eine Freude ist, die Tachonadel bewegt sich recht flott der 120 zu….wieder vom Gas gehen, einmal geblitztdingst zu werden (auf der Hinfahrt) reicht mir vollkommen.

Klima geht auch….stinkt aber leider. Ruhige Rückfahrt. An einer Ampel find ich in einer Tasche das Checkheft, das genau zwei Einträge hat: einen bei 15,000km, und einen zweiten bei 30,000km.

Uh-oh. Technisch in Ordnung, aber wie lange noch?

Vor langer Zeit muß dieser SL ein wirklich schönes Auto gewesen sein, aber gut gepflegt bedeutet offenbar, daß der VB Hobbyschrauberdilletant gewesen ist und immer selbst Hand angelegt hat, ohne Buch zu führen.

Ich verstehe nicht, wie ein Mensch, der mal über 150.000 DM für diesen Wagen bezahlt hat, ihn dermaßen vernachlässigen kann.

Mangels Vergleichsmöglichkeit kann ich nicht sagen, ob dieser SL in Ordnung ist oder nicht, ob das Motorgeräusch normal ist oder ob vielleicht doch der halbe Auspuff fehlt, ob die Automatik richtig schaltet und und und.

Anna ist der Wagen sowieso zu spooky, ihre Liebe gehört den Raubkatzen.

Im direkten Vergleich ist der E38 eine Offenbarung, ein wunderbar elegantes, komfortables, leises und neues Auto.

Folglich nehmen wir von einem Kauf fürs erste Abstand, ich schätze mal, man muß mindestens 3,000€ dort hineinstecken, um die gröbsten Mängel zu beseitigen, und für das Geld bekommt man deutlich bessere Autos.

Ein wenig enttäuscht, aber um eine Erfahrung reicher fahren wir wieder nach Hause.

 

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