Jaguar XJ-R – Wildkatze oder Zahmes Haustier?

Die Challenge: eine billige Luxuslimo finden, die besser ist als ein BMW 750i E38

Der Herausforderer: ein silberner 2002 Jaguar XJR mit 70tkm auf dem Tacho, also viel neuer als mein alter Fuffi.

Auf den ersten Blick: schöner Wagen – SCHÖÖÖÖNER Wagen!. Wirklich schöner Wagen. Klassisches Design, sehr breit, sehr flach, schöne Räder, Gittergrill.

Der Einstieg fällt leicht, auch wenn der Innenraum knapp geschnitten ist. Ich falle auf bequeme Ledersitze, die mehr Ähnlichkeit mit Sesseln als mit Autositzen haben. Der Blick fällt auf eine wunderschöne Wurzelholzlandschaft. Darin befinden sich drei tiefe Höhlen, in denen sich die Instrumente verstecken.

Die Mittelkonsole ist mit Leder bezogen, die Armaturentafel leider nicht. Ist nicht tragisch wenn man es nicht gewohnt ist.

Das Holz/Lederlenkrad liegt gut in der Hand, leider ein bisschen zu weit weg, man kann es auch nicht näher heranrücken. Der Zündschlüssel hingegen ist eine Peinlichkeit, er stammt offenbar aus dem Ford Ka.

Nach draufen erstreckt sich der Blick auf die wunderschön geformte Motorhaube, wirklich viel sieht man allerdings nicht. Das Dach ist doch sehr niedrig, insbesondere auch, weil der Wagen ein Schiebedach hat.

Wenn ich nach hinten schaue, stoße ich immer mit dem Kopf an die Decke, was in der Realität bedeutet: nach jeder Fahrt im Jag rennt meine Freundin mit der Bürste in der Hand hinter mir her, um meine Frisur zu richten.

Da das Schiebedach jetzt nicht wirklich die Bezeichnung „Panoramadach“ verdient,  ist vermutlich ein Exemplar ohne diese Austattung die bessere Wahl, wenn mans denn findet.

Stattdessen wäre ein Alcantara-Bezug eine feine Sache, auch wenn es der Frisur vermutlich egal wäre.

Ich lasse den Motor an. Der V8 brummt dezent vor sich hin. Automatikwählhebel auf D. Vorsichtig manöveriere ich die Katze über das Gelände auf die Straße und fahre langsam los.

Der Tank ist natürlich leer. Halt bei der ersten Tanke. Hmm…ist der Tankdeckel jetzt links oder rechts? Aussteigen, angucken: Aha, links. Also füll ich mal 15l Super ein, die sollten uns nach Hannover und zurück bringen.

Wir rollen langsam weiter über die Landstraße. Der Jag liegt gut, die Lenkung ist leider nicht ganz gerade, dafür ungewohnt leichtgängig. Kann man den BMW mit dem kleinen Finger rangieren, reicht hier vermutlich ein geschickte dosiertes Pusten.

Das Fahrwerk ist angenehm, nicht zu straff aber mit gutem Kontakt zur Fahrbahn. In den Kurven merkt man, daß einige hundert Kilo weniger zu bewegen sind als im dicken 7er.

Ein bisschen irritiert mich die Tatsache, daß der XKR erst mal 2,000 U/min in den nächst höheren Gang schaltet, der BMW V12 schaltet deutlich früher.

Wir kommen an der A7 an, zumindest das Kühlwasser ist warm. Beim Auffahren auf die Autobahn vermisse ich Schub, da hat der BMW den besseren Antritt.

Zwei Kleinwagen wollen vorbei, erst dann kommen wir auf die linke Spur. Kick-down. Die Katze zieht ordentlich an, 200 sind schnell erreicht, und hier kennt der Jag kein Halten mehr und zieht sauber bis Tacho 260 durch.

Weniger sauber ist die Geräuschkulisse: Hat man schon bei 160 km/h gewisse Windgeräusche kommt ab 210 km/h ein brutales Pfeifen dazu. An den Kompressor-Sound muß man sich gewöhnen, es klingt sehr synthetisch. Auch das Fahrwerk möchte im wahrsten Sinne des Wortes ein wenig mitreden.

Kurzum: Der Wagen ist schnell, aber laut, wenn auch natürlich längst nicht so extrem wie ein Porsche.

Ein Überholprestige ist leider nicht wirklich vorhanden, offenbar sind rasende Mietzekatzen in Deutschland ein doch eher seltenes Ereignis. Golfs bummeln endlos vor einem her, und auch die Bremse muß man öfters strapazieren. Selbige macht ihre Sache recht ordentlich, rubbelt aber heftig.

Zuhause angekommen zeig ich Anna das Auto:

Sie ist als Katzenliebhaberin von dem Jag natürlich recht angetan, findet die Sitze sehr bequem und den Platz mehr als ausreichend. Das gilt sogar für den Kofferraum, den ich als sehr klein empfinde. Wenn man das Notrad entfernt, könnte man ein bisschen mehr Platz schaffen, ein Raumwunder wird er dadurch immer noch nicht.

Kurze Sitzprobe im Fond Hinten kann ich gerade so sitzen, sie ohne Probleme. Ich schätze mal, hier ein Kleinkind anschnallen dürfte in diesem Auto wegen des niedrigen Dachs eine ziemliche Pest sein.

Der Verbrauch ist ähnlich wie beim Fuffi, wobei mein Eindruck ist, daß er bei hohem Tempo aufgrund der relativ bescheidenen Aerodynamik mehr schluckt als der BMW.

Es gibt schon einige Ausstattungsdetails, die ich vermisse: Vollleder, PDC vorne, Xenons, das elektrische Rollo und die seperate Verstellung des oberen Lehnendrittels. Die Qualitätsanmutung ist auch nicht so überzeugend.

Das Radio mit Navi konnten wir leider nicht austesten, weil offenbar die Batterie zwischenzeitlich einmal leer und deshalb die Sperre aktiviert war. Klima funzt.

Die Bedienung in der Mittelkonsole ist sehr ansehlich, aber alles andere als ergonomisch, weil es ein Riesenmeer von Tasten ist die nicht wirklich in logische Gruppen aufgeteilt sind.

Und Hauke hatte recht: der XJR hat kein ESP, sondern nur eine Traction Control. Wenn man mit Tempo 50 unterwegs ist und an einer Ortsausfahrt das Gaspedal ans Bodenblech drückt fängt sie wild an zu blinken.

Fazit: der Jaguar XJ-R ist ein wunderschönes klassiches Auto. Wenn ich noch meinen alten 5er fahren würde, würd ich den vermutlich sogar kaufen.

Topgear Moderator Jeremy Clarkson hat einen XJR gekauft und viele Jahre gefahren. Für ihn ist der Jag das absolute Non-Plus-Ultra.

Als BMW 750i Fahrer hingegen muß ich sagen, daß der alte V12 einfach das bessere Auto ist. Bequemer, satter, leiser, mit schönerem Sound, letztendlich auch sparsamer und praktischer. Und das, obwohl er 5 Jahre älter ist und 100,000km mehr auf dem Tacho hat.

1:0 für den BMW also. Sorry, Pussycat, und sorry, Mr. Clarkson.

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