Maserati Granturismo S Fahrbericht – Heaven and your hell!

Google-Anzeigen können fürchterlich penetrant sein:

FAHR MASERATI! FAHR MASERATI! MELD DICH AN! FAHR MASERATI!

Immer und immer wieder, auf allen möglichen Webseiten.
Schön. Gut. Ihr habt es nicht anders gewollt.

Ich werde weich und rufe das Formular zur Anmeldung bei der Maserati Summer Tour auf, einem Werbeevent des bekannten Autoherstellers aus Italien.

Nun stehe ich vor einer schweren Entscheidung: Welchen Maserati?

In der Drop-Down-Liste stehen die üblichen Limousinen und das brandneue SUV zur Auswahl. Man darf sogar aussuchen, ob man ein Exemplar mit neuerdings politisch korrektem Benzinmotor oder einen gesundheitsgefährdenden rußigen Diesel fahren möchte.

Am Ende der Liste finde ich schließlich Auto nach meinem Geschmack: ein geradezu archaisch anmutendes Maserati Granturismo S Coupé, einem seit knapp 10 Jahren produzierten automobilen Dinosaurier mit dem wohl allerletzten V8-Saugmotor, den es heutzutage noch in einem Neuwagen zu kaufen gibt.

Let’s do this!

Dank der vielen Baustellen in Hannover und Umgebung komme ich viel zu spät. Aber ich habe Glück: da ich wohl der einzige bin, der das altmodische Riesencoupe fahren will, überreicht mir eine klischeehafte Blondine im Maserati-Dress einen dunkelgrauen Schlüssel. Er passt wohl zu dem ebenso dunkelgrauen Coupé, das mit dem freundlichen Lächeln eines Zerberus neben den vergleichsweise langweiligen Familienkutschen auf dem Hinterhof parkt.

Äußerlich betrachtet ist der Granturismo S eine kuriose Mischung aus italienischer Eleganz und provinzieller Brutalität. Die Fensterrahmen und Türgriffe sind nicht wie sonst in verchromt, sondern entweder schwarz eloxiert oder in Wagenfarbe gehalten. Die extravaganten 20′ Felgen sind dunkelgrau lackiert, dahinter kommen als einziger Farbtupfer am Monochromcoupé rote Bremssättel zum Vorschein.

Egal, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet: das Ding sieht furchterregend brutal aus. Nicht einfach nur wie ein primitiver Schläger vom Format eines Ford Mustang, sondern wie ein teuflischer Bösewicht aus einem James Bond Film (Darth Vader passt nicht, der ist zu unkultiviert).

Wir können davon ausgehen, dass es sich bei einem Maserati nicht einfach nur um ein peinliches Optiktuning handelt, sondern dass er mit seinem 460PS V8-Triebwerk eine jugendgefährdendes Beschleunigungsvermögen hat, mit einem Heidenlärm jeden Pitbull ins Katzenklo verkriechen lässt, Unmengen von Benzin vergeudet und auch sonst der automobile Alptraum eines jeden ökofaschistisch angehauchten Grünen-Wählers ist.

Kurzum: ein spaßverheißendes Auto, das perfekt zu meiner schwarzen Seele passt! 🙂

Betreten wir den Tatort



Der Innenraum ist eine mit schwarzem Leder und dunkelgrauen Alcantara ausgeschlagene Höhle für 2+2 Erwachsene. Elegante Carbon-Leisten zieren das Armaturenbrett, dessen Kanten nicht wirklich zu den verführerisch geschwungenen Kotflügeln passen wollen. Ein Highlight sind die Türöffner aus gebürstetem Aluminium, eine absolute Designsünde hingegen die Aussparungen für die Seitenairbags: sie sehen aus, als hätte man sie nachträglich mit einer Stichsäge ausgeschnitten und anschließend mit Leder bezogen. Epic Fail.

Ein weiterer Epic Fail sind die Sitzlehnen: wenn man sie umklappt, fahren sie wie im Mercedes elektrisch nach vorne. So weit, so manierlich. Nur leider vollkommen nutzlos: Sie verklemmen sich bei der Übung blöderweise unter der Sonnenblende, so dass man sie nicht einfach zurückklappen kann, sondern erst den Sitz manuell nach hinten fahren muss!

Das dicke Lenkrad mit den vielen Tasten wirkt ein wenig altmodisch. Hinter dem Volant richten sich zwei gigantische Schaltpaddel auf: eines zum Hochschalten und ein weiteres zum Herunterschauten. Die elektrisch verstellbaren und überaus elegant geformten Sportsitze sind sehr bequem. Ich habe Platz wie in einer Luxuslimousine, was kein Wunder ist, denn prinzipiell ist der Granturismo nichts anderes als ein Quattroporte Coupé.

Hinten gibt es zwei Rücksitze, die für meine 1,80m nicht wirklich bequem sind, aber eben doch deutlich besser als das, was Porsche seinen Passsagieren zumutet.

Waking up the neighbours

Im unterschied zu modernen Sportwagen gibt es keinen Startknopf, stattdessen steckt man den Schlüssel in einen Schlitz an der Lenksäule und dreht ihn um.

Dieser Vorgang bewirkt folgendes:

Erst ertönt ein leises Klacken. Und dann folgt eine vehementen Explosion, dass man meinen könnte, wäre eine Handgranate unter dem Haube explodiert!!!

Es ist ein Wunder, dass nicht alle Fensterscheiben im Umkreis von 100 Metern zerborsten sind!

Und irgendwie leider geil!

Sorry, Neighbours: My heaven, your hell!

Nach dieser primitiven archaischen Machtdemonstration mutiert das einlegen einer Fahrstufe erstaunlich fortschrittlich an: man muss einige Sekunden lang nachdrücklich auf einen mit einer 1 gekennzeichneten Knopf auf der Mittelkonsole drücken. Das Auto piept und signalisiert im Display, dass nun der erste Ganz eingelegt ist. Klingt doof, ist doof. Ein altmodischer Hebel für die Gangwahl wäre mir lieber, ich meine, wenn schon archaisch, dann richtig, oder?

Vorsichtig manövriere ich das nicht wirklich übersichtliche Coupé vom Hof. Es misst stolze 4,90m, ist also so lang wie eine Limousine der oberen Mittelklasse und mit 2,06m Breite fast so dick wie ein SUV.

Mit dem Maserati Granturismo im Stau

Im Stau auf der Podbi habe ich Zeit, mich ein wenig zurecht zu finden. Die Bedienelemente ähneln denen im Quattroporte, das firmeneigene Maserati Navitainment-System erinnert in seiner Grafik an ein Computerspiel der 90er Jahre – ein Fortschritt, wenn auch nur ein kleiner. Einen bequemen iDrive-Controller gibt es nicht, einen Touchscreen wie bei Jaguar leider auch nicht. Stattdessen steht ein unübersichtlicher Haufen Schalter bereit, mit denen man das System bedient.

Herrgott, was ist eigentlich verkehrt an Standard-Radios im DIN-Format? Gerade bei solch einem eher langlebigen italienischen Qualitätsprodukt sollte es doch möglich sein, die Elektronik mit einem einfachen Upgrade zu versehen. Ferrari kanns doch auch!

Maserati Granturismo: My heaven – your hell!

Aber eigentlich ist der Bildschirm nur Ablenkung: Den Zugang zum eigentlichen Entertainment-Programm des Granturismo gewähren nämlich zwei Schalter links neben dem Bildschirm: der obere mit der Aufschrift „Auto“ versetzt die sequenzielle Schaltung in den Automatikmodus, der untere mit der Kennung „Sport“ strafft das Fahrwerk, verschärft die Kennlinie des Gaspedals, ändert den Getriebemodus und öffnet eine kleine Klappe vom Auspuff.

Ich habe mich inzwischen vorne an die Ampel vorgekämpft. Also könnte ich es wagen, die Taste „Sport“ zu drücken. Erster Effekt: das Auto wird ein klein wenig lauter, ich hör den Motor zufrieden vor sich hinbrabbeln.

Die Ampel wird grün. Herzklopfen. Mein rechter Fuß drückt das Gaspedal ans Bodenblech! Es ertönt ein infernalischer Lärm, und der Maserati hechtet nach vorne wie ein heißblütiges schwarzes Rennpferd, hinter dem gerade eine Dampflok explodiert ist. Was ich nicht höre ist ein Quietschen der Reifen: der italienische Bolide hat eine perfekte Traktion.

In Rekordzeit stehe ich an der nächsten roten Ampel, ein diabolisches Grinsen im Gesicht. Das Auto ist einfach nur – geil! Herrgott, ich konnte noch nicht einmal den zweiten Gang einlegen. Langsam sehe ich einen roten Opel im Rückspiegel näher kommen, dessen kopfschüttelnder Fahrer nicht zu begreifen scheint, dass er gerade das Intro zu einem der genialsten Heavy Metall Konzerte der Welt genießen durfte – völlig kostenlos!

Auch die nächsten beiden Ampeln nutze ich, um mich bei meinen Mitmenschen unbeliebt zu machen. Manch einer mag den Maserati-Sound prollig finden, aber irgendwo ist es auch eine sehr befriedigende Möglichkeit, seinen Frust über die roten Ampeln, die Baustellen, den Stau und sein sonstiges Unglück mit der Welt zu teilen.

Eine artgerechte Haltung ist das natürlich nicht.

Endlich artgerechte Bewegung für dem Maserati

Zum Glück ist auch der zäheste Stau einmal vorüber und es kommt die Autobahnauffahrt: Das sequentielle Getriebe auf manuell, den Sportmodus eingeschaltet und das Gaspedal durchgedrückt: der Motor dreht hoch, ich werde in den Sitz gedrückt und das es folgt ein episches Heavy-Metal-Konzert vom Feinsten, für das Tarja Turunen die ideale stimmliche Begleitung sein könnte!

Das antiquierte sequentielle Schaltgetriebe sorgt dafür, dass man als Headbanger voll auf seine Kosten kommt:

Bei Vollgas im unteren Gang haut es die Gänge dermaßen brutal ein, dass man sich Sorgen macht, dass das Getriebe in tausend Einzelteile zerspringt! Durch Lupfen des Gaspedals kann man den Schlag natürlich ein wenig mildern, was aber der Intention dieses Autos widerspräche. Lassen wir den Maserati lieber ein wenig rollen, schalten grinsend einen Gang – oder besser zwei – herunter und genießen, wie das Metal-Konzert mit einer Extra-Portion Zwischengas von neuem beginnt.

Trotz der fast 2 Tonnen Gewicht würde ich den Maserati Granturismo S getrost als Sportwagen bezeichnen. Er ist vielleicht nicht ganz so unbequem und behende wie ein Porsche, bietet aber ein Fahrerlebnis von absolut epischer Breite. Im Unterschied zu seinen direkten Konkurrenten – dem langweiligen Mercedes CL500 und dem enttäuschenden Jaguar XK Coupé – passen im Maserati Granturismo S Motor und Fahrwerk perfekt zusammen und setzen die Wünsche des Fahrers präzise um – und das ist das, was ich unter einem Sportwagen verstehe.

Er kann auch anders…

Hat man sich als Fahrer nach einiger Zeit seine Hörner abgestoßen oder ein Tempo 120 Schild passiert, kann man mit erneuter Betätigung der Sport-Taste dem Spuk ein Ende bereiten. Das Fahrwerk wird merklich komfortabler, der Motor leiser und der Granturismo verwandelt sich vom Höllenhund in ein komfortables Luxuscoupé. In diesem Bereich merkt man auch das größte Defizit des Saugmotors: der Durchzug von 80 auf 120 im höchsten Gang lässt es doch sehr an Dynamik vermissen – ein Manko, dass der 2017 kommende Nachfolger mit Aufladung vermutlich beheben wird.

…aber man ist für die Umwelt trotzdem ein Arsch

Die Umgebung findet an dem düsteren schwarzen Geschoss nicht so wirklich Gefallen. Ein überaus hässlicher Dacia Dingsbums blockiert in einem Anflug von boshaftem Linksaktivismus hartnäckig die Überholspur. Eine Radfahrerin und ein Treckerfahrer sehen mich sehr düster an, als ich das Monstrum bei Schillerslage in einem Dorf wende. Mit dem Maserati Granturismo S ist man definitiv ein Unsympath, ein richtig böser Bube. Darüber sollte man sich klar sein – wer sympathisch sein möchte, sollte lieber zu einem VW Beetle greifen.

Unschön ist das Rangieren: man muss eine gute Portion Gas geben, damit die Kupplung greift. Dabei macht der Bolide einen kleinen Satz und es besteht die Gefahr, ein anderes Auto anzurempeln, was zu dem boshaften Habitus des Grandtorismo prinzipiell zwar sehr gut passt, aber leider auch Kratzer in der Stoßstange hinterlassen dürfte.

Mit gemischten Gefühlen gebe ich den grauen Unhold wieder beim Händler ab.

Maserati Granturismo Fazit

Dieses Fahrzeug ist gewissermassen die Antithese zum BMW i8: Hat man im Ökoflitzer mit Elektroantrieb das Gefühl, ein intelligentes Auto aus der Zukunft zu fahren, so gibt der Maserati den Rüpel, der auf Sparsamkeit und gute Manieren scheisst, die Ellenbogen rausfährt und einfach nur die Sau rauslässt.

Gewiss: für die Fahrleistungen braucht es nicht unbedingt einen Maserati. Ein moderner Mittelklasse Sportler vom Schlage eines Audi TTS ist sehr viel preiswerter, kaum langsamer und offeriert ein ähnliches Unterhaltungsprogramm. Während aber im Audi ein Soundgenerator für Emotion sorgt, ist im Maserati alles echt – als würde man das Gedudel der Red Hot Chillipeppers mit dem bombastischen Edelstahlgewitter von Epica vergleichen.

Der Maserati Granturismo ist in dieser Form absolut asozial. Aber auch gerade deswegen sehr geil.

Aber wenn man ihn in weiß mit Chrom-Verzierungen bestellt, klappts vielleicht auch mit den Nachbarn.

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