Porsche Cayenne V6 – This is an elephant!

Da steht es also vor mir, Porsches Interpretation des ultimativen Geländewagens. Mannshoch, wie ein großer grauer Elefant, überragt er die umherstehenden 911er und Boxster Modelle. Werkstattersatzwagen.

Porsche Cayenne Baujahr 2008, „leider nur der V6 mit 290 PS“, wie der Werkstattmeister sagte.

Der Meister hat ihn mir schon aus der Parkbucht gefahren, ich klettere hinein. Die Tür fällt satt ins Schloß Vor mir erstreckt sich das hügelige Panorama der endlos breiten Motorhaube. Riesig auch die Außenspiegel, beinah im LKW Format.

Der Motor brummt schon. Die Parkbremse sitzt tief unten. Ich löse sie und lege mit dem mächtigen Wählhebel den Gang ein.

Langsam rollt der Elefant voran, durch die Schranke. Ich fädele mich in den Verkehr ein, es geht besser als gedacht. Die Lenkung ist sehr leichtgängig, und wenn man den Fahrersitz hochstellt, dann kann man auch die Kanten der Kotflügel sehen. Das Interieur mit lederbezogenem Armaturenbrett wirkt sehr wertig.

Der Motor brummt ein wenig vor sich hin, auf der Lister Meile gewöhnen wir uns ein aneinander. Die Sicht nach vorne ist wirklich ausgezeichnett wie in einem Lastwagen. Selbst ein VW Sharan wird da zum Kleinwagen, über den man lässig hinwegblickt.

An der Ampel spiele ich mit den Hebeln unterhalb des Automatikwählhebels, mit denen man das Fahrzeug dank Luftfederung auf- und absenken kann. Auch hier ist der Vergleich mit einem Elefanten angebracht, der in die Knie geht, um seinem Reiter den Aufstieg zu erleichtern.

Wir biegen ab auf die Stadtautobahn. Das 6-Gang Getriebe schaltet sehr schnell, der 1. Gang ist allerdings wirklich extrem kurz übersetzt. Tritt man an der Ampel das Gaspedal durch, dreht der Motor wie irre los, der Cayenne setzt sich scheinbar mächtig in Bewegung, aber am Tacho merkt man, dass die Beschleunigung eher gemächlich ist. Wrrrrrrrrrrrruuummmmmmmm, nächster Gang, der Tacho zeigt Tempo 30, und weiter geht’s, und irgendwann sind die 100 km/h erreicht.

Wir cruisen gemächlich dahin und genießen die Aussicht, auf Augenhöhe mit Sprinter-Fahrern. Sobald man das Gaspedal auch nur antippt, schaltet die Automatik sofort zurück. Ein kurzer Blick auf den Bordcomputer, der einen Schnitt von knapp 16l anzeigt. Aua.

Was mir persönlich nicht gefällt sind die Instrumente: Tacho und Drehzahlmesser sind zu weit auseinander und werden teilweise vom Lenkrad verdeckt. In der Mitte sind ein Mäusekino und die Anzeigen für Tankinhalt und Wassertemperatur. Na gut, der Tankinhalt ist für den Cayenne-Treiber sicher eine sehr wichtige Information, der Zeiger bewegt sich schon beim Hinschauen. Aber die Wassertemperatur muss nicht wirklich dermaßen zentral platziert sein.

Ein Schiebedach hat er auch, allerdings wirkt das ein wenig so, als hätte man das Schiebedach eines 911ers installiert – es ist viel zu klein.

Wir fahren weiter auf die Autobahn A2, und wir haben Glück: das elektronische Tempolimit ist aufgehoben, also wird das Gaspedal bis aufs Bodenblech gedrückt. Ab 150 km/h geht es erstaunlich flott voran, der Elefant liegt sicher auf der Straße, das Überholprestige ist nicht übel. 200 km/h sind unerwartet schnell erreicht, dann müssen wir verkehrsbedingt wieder bremsen. Die Bremsen sind übrigens erste Sahne und verzögern das 2,5t Geschoss, als wäre es ein Boxster.

Das Fahrwerk ist ebenfalls nicht zu verachten: im Sportmodus spürt man jede einzele Querfuge, im Komfortmodus hingegen verwandelt sich der Cayenne in einen fliegenden Teppich. Die Normalstellung liegt irgendwo dazwischen.

Die Sitze hingegen könnten ein wenig bequemer sein, da wünscht man sich die Komfortsitze aus dem BMW E65 mit ihren vielfältigen Einstellungsmöglichkeiten.

Wenn man so hoch oben sitzt, hat man ein absolutes „King of the Road“ Gefühl. Geländewagenfahrer mit Allmachtsphantasie.

Ich überhole einen VW Polo II, mit Kindern auf der Rückbank. Bei der Vorstellung, mit einer Relativgeschwindigkeit von vielleicht 50 km/h einem solchen Auto ins Heck zu krachen, bekomme ich eine Gänsehaut: die Insassen des alten Polos hätten nicht die geringste Chance, den Aufprall zu überleben, ihr Wagen wäre bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert, und Benjamin hätte vielleicht eine kaputte Stoßstange. Ich hatte selber einmal einen solchen Polo, aber das ist über 10 Jahre her…

Unsere Ausfahrt ist erreicht, wir fahren ins nicht ganz fertige Neubaugebiet. Baustraße, Cayenne-Terrain, Geländestellung. Sehr kommod gleiten wir über Schlaglöcher und größere Unebenheiten hinweg, es ist ein Wahnsinn, was die Federung schluckt.

Auch wenn man sich inmitten der Golf-Fahrenden Neubauhausbesitzer doch ein wenig merkwürdig vorkommt. Die Kinder vom Nachbarn hingegen bekommen vor Begeisterung ihren Mund nicht mehr zu. 🙂

Das nächste Problem ist: wo lässt man die Kiste? In die Garage passt er nicht, beim Versuch, dort hineinzufahren kollidiere ich fast mit meinem mühsam installierten automatischen Garagentoröffner. Also parke ich auf der enge Straße vor der Tür. Wie gut, daß hier keine Ökos wohnen, sondern junge Familienväter, die Toyota oder Touran fahren und heimlich vom Cayenne träumen.

Außenspiegel einklappen. Hinausklettern. Was in der Geländestellung etwas mühsam ist. Er könnte ruhig von selbst wieder in die Knie gehen, wenn man den Zündschlüssel abzieht.

Ich betrachte das Auto skeptisch. Von vorne ist er ganz hübsch, die Seitenlinie auch. Mir gefallen die Zierleisten aus Aluminium, die Türgriffe lächeln einen an. Das grau steht dem Wagen gut. Aber von hinten ist der Cayenne – sorry – eines der hässlichsten Autos, die es gibt. Elefantenarsch. Nur ohne Ringelschwänzchen. Und dann auch noch grau.

Die nächste Fahrt geht nach Braunschweig zu meinen Eltern, einen Laptop abholen. Bei Tempo 150 finde ich den Motorsound auf Dauer nervig, er hat irgendwie eine gewisse Ähnlichkeit mit dem BMW 118d, den ich zwei Tage vorher im Urlaub fuhr. Beim Elternhaus angekommen wird es lustig: Die beiden kloppen sich fast darum, wer als erster auf dem Beifahrersitz mit mir eine Runde drehen darf. Besonders meine Mom ist schwer begeistert von der Aussicht, auch der Motorsound gefällt, während er meinem Vater zu laut ist.

Zurück fahren wir mit Tempomat 130, aber der Verbrauch läßt sich nicht wesentlich unter 13l drücken. Das Navisystem wirkt inzwischen doch ein wenig antiquiert, das serienmäßige Soundsystem ist ok. Kurvenlicht hat er auch. Es ist durchaus angenehm, auch wenn es für Außenstehende so aussieht, als wäre ein Nebelscheinwerfer defekt.

Am nächsten Tag gehts zu Aldi. Auch hier komm ich mir irgendwie asozial vor, das Einparken ist mühsam. Die Leute werfen mir neidische Blicke zu. Lustig wirds, wenn man freundlich zurücklächelt, und die sich mühsam ein Lachen verkneifen. Die Einkäufe passen natürlich problemlos ins Auto. Und kippen um. Im Gegensatz zum Boxster: da gibt’s für jeden kleineren Einkauf ein passendes Fach.

Apropos passendes Fach: Da war doch noch ein Sessel zuhause. Der auf den Müll sollte. Der passt doch sicher in den Cayenne.

Und tatsächlich: Absenken, Rollo abbauen (ein Handgriff), Sessel rein, ab zur Müllkippe. Rammstein CD rein, passt. Absenken, Sessel raus, ab in die Kiste. Cooles Teil.

Und zurück zum Händler, den Cayenne gegen meinen kleinen Boxster tauschen.

Fazit: Mal ehrlich: Wenn ein Porsche ein kompaktes sportliches Auto sein soll, das mit möglichst geringem Resourceneinsatz maximale Fahrleistung erbringt, dann ist der Cayenne die Karikatur eines Porsches.

Er ist groß, er ist träge, er ist durstig. Es ist schwierig, den Elefanten irgendwo unterzubringen, weil er einfach sehr breit ist.

Andererseits ist er ein überraschend bequemer Reisewagen, perfekt zum Cruisen auf der Autobahn, wunderbare Straßenlage, deutlich besser als ein Touareg. Das „King of the Road“ Gefühl ist schon eine feine Sache. Die Achillesferse des Cayenne ist sein immens hoher Verbrauch und seine soziale Unverträglichkeit.

Ansonsten könnte ich mir das SUV durchaus als Nachfolger meines inzwischen sehr betagten 7ers vorstellen, insbesondere auch wegen der sehr guten Porsche Gebrauchtwagengarantie.

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