VW Golf III Cabrio – Raus aus dem Kokon!

vw golf cabrio

Es kam, wie es kommen mußte: eines Tage meinte mein Fuffi mal wieder „Bring mich zu Inspektion“, unterstrichen von einem „wenn du neue Schuhe hast will ich auch neue Bremsbeläge“. Aufschub unmöglich.

Um zu verhindern, daß die BMW NL Hannover mein Auto in der Leine versenkt um anschließend mein Konto für die Behebung des Wasserschadens zu belasten, entschied ich mich, die Inspektion I bei einer von einem Forumler empfohlenen freien Werkstatt bei Celle machen zu lassen, bei der mir ein kostenfreier Ersatzwagen versprochen wurde.

Gesagt getan, Winterreifen reingepackt, und ab nach Celle.

„Sie bekommen also den Golf“ meinte die Dame hinter dem Tresen.

Ich dachte wenig begeistert an den silbernen Golf IV, den sich ein Bekannter neulich gekauft hatte.

Dann bemerkte ich, der Kunst des Auf-dem-Kopf-lesens mächtig, daß die Dame unter dem Wörtchen „Golf“ den Eintrag „Cabriolet“ schrieb.

Da ich noch nie in meinem Leben Cabrio gefahren bin, wurde die Sache gleich sehr viel interessanter.

Ich bekam die Schlüssel, ging um die Ecke, und da stand er: ein blaues Golf III Cabriolet, Sondermodell „Bon Jovi“. Zustand: Definitiv Kein Neuwagen.

Egal. Bei einem Gratisauto beschwer ich mich nicht.

Einsteigen, der Duft von Zigarettenrauch umhüllte mich. Solch ein Armaturenbrett habe ich zuletzt 1997 bei meiner Fahrprüfung gesehen. Schlüssel rein, Gurt gesucht, Sitz passte ungefähr, anlassen: Tank leer!

„Da müssen sie ein paar Liter reinschütten, fahren sie soviel sie wollen, können sie leer wieder abgeben“. Ist gebongt.

Also erstmal zur Tanke gegurkt, und das Auto von einem Tankwart (ja, sowas gibts wieder) betanken lassen.

Ein paar Meter weiter gerollt, erstmal das Auto untersuchen. Armaturenbrett war bekannt. Knöpfe für die Fensterheber waren wild in der Gegend verstreut. Sitzheizung gab es keine, Nachrüstradio, und ein Knopf, mit dem sich offenbar das Dach öffnen ließ (elektrisch)!

Spontaner Beschluß 1: ich besuch meine Eltern in Braunschweig, mußte eh noch ein Paket abholen.

Spontaner Beschluß 2: DACH AUF!

Nach ca 10 Minuten kapierte ich, wie der Dachmechanismus funktionierte (Zündung rein, Zündung raus, dann gaaaanz lange Knöpfchen drücken) und saß mit breitem Grinsen an der frischen Luft.

Ich rollte los, und suchte mir immer noch grinsend einen Weg über Landstraßen Richtung BS-Town.

Es wurde eine sehr schöne Fahrt, es war zwar nicht wirklich warm, aber wenn man die Heizung voll aufdrehte ging es. Es war herrlich, über sich freien Himmel zu haben, die Bäume zu sehen, den Wind in den Haaren zu spüren und den Spätherbst zu riechen.

Trotz fröstelnder Oberschenkel und der Sorge, mir eine schöne Erkältung einzufangen (hatte blöderweise auch keinen Mantel angezogen) blieb das Dach die ganze Zeit über offen.

Nachdem ich in meiner Limousine immer seltener das Schiebedach geöffnet habe, um die einlullende Ruhe im Innenraum nicht zu stören, hätte ich nie im Leben gedacht, daß es mir soviel Freude bereiten würde, den Elementen ausgesetzt zu sein.

Es war das Gefühl, mal wieder richtig zu leben.

Wie mag das wohl erst sein, wenn man in einem gut motorisierten Roadster der Marke Porsche unterwegs ist?

Auf dem Rückwind war es dunkel, diesmal fuhr ich geschlossen, hier war der Golf wirklich nur ein Golf. Einer, der mühsam Tacho 195 erreichte, und mit dem man eigentlich nur am Ziel ankommen und aussteigen möchte.

Tempi jenseits der 140 gerieten zur Mutprobe, alles wackelte, war laut, und der Geruch der Heizung reicht von Kaminfeuer bis Kohlenstoff.

Nach dem Aussteigen würdigte ich den Wagen keines Blickes.

Am nächsten Tag war das Wetter wieder schön, und ich wagte eine Ausfahrt mit meiner Freundin, die sich eingehüllt in eine Wolldecke von meiner Freude am Offenfahren anstecken ließ. Wir fuhren über Land und durch die Stadt und erlebten die Welt aus einer völlig neuen Perspektive. Im Handschuhfach entdeckte Anna eine schöne Sammlung alter Take That und Roxette Kassetten, wodurch sich die gute Laune noch wesentlich steigerte.

Ich war mit dem Golf wieder versöhnt

Tags drauf konnte ich meinen Fuffi wieder abholen, und trotz drohender Regenwolken wurde das Dach natürlich wieder geöffnet, und wir sausten mit 180 Sachen über den Schnellweg, den Elementen trotzend (diesmal MIT Mantel).

Als ich meinen Fuffi wiederhatte war das dann irgendwie schon ein Kulturschock.

Sehr komfortabel, sehr leise, die Hinterachse quietschte nicht mehr, das Lenkrad wackelte dank neuer Spurstange nicht mehr, edelste Innenraumanmutung, die Sitzheizung, von der ich die vorigen Tage nur geträumt hatte, und ein Motor, der diese Bezeichnung auch verdiente.

Ein Kokon auf Rädern eben, abgeschlossen, abgeschieden, bemüht, den Fahrer von allem Unbill der Welt fernzuhalten. Daran können weder die EDC Sportstellung nocht ein Schiebedach etwas dran ändern.

Tauschen würde ich natürlich auf keinen Fall, ganz sicher wird aber in absehbarer Zeit ein Zweitwagen dazukommen, und vermutlich wird er zwei Sitze, einen starken Motor und ein offenes Dach haben

 

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