Probefahrt BMW i8 – Wie geil ist Dreizylinder?!?

Eigentlich wollte ich mir bei IKEA ein neues Kopfkissen kaufen. Ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber irgendwie habe ich mich auf dem Weg dorthin in eine BMW Niederlassung verirrt. Nun, ja, das  kann vorkommen, mein Navi stammt aus dem Jahre 2003 und ist nicht wirklich auf dem neuesten Stand.

Aber bin ich wirklich bei BMW? Oder habe ich versehentlich die Ferrari Niederlassung betreten? Nein, nein, das kann nicht sein, denn die Autos sind allesamt schwarz wie Lakritzstangen, während eine Sammlung Ferrari eher wie eine Packung Smarties anmutet.

Trotzdem sieht diese flache Flunder, vor der ich stehe, mehr nach einem Ferrari oder Lamborghini aus, als nach einem BMW. Sie hat sogar etwas an sich, das einen klassischen Sportwagen fast schon langweilig wirken lässt.

Und es sind nicht nur die Flügeltüren, die am Rahmen nach oben schwingen, wie beim Mercedes SLS McLaren.Die Kombination von ultrafuturistischen Formen und gewagten frostblauen Einsätzen sieht man vielleicht auf einer Automesse, aber nicht in einem Showroom. Es ist fast so, als wäre ein Entwurf der ultrageheimen Designabteilung von BMW entflohen, hätte das Werkstor niedergefahren, in Ermanglung von Alternativen in einem Autohaus Zuflucht gefunden und dort heimlich Strom abgezapft – in der stillen Hoffnung, nicht vom Werkschutz erwischt zu werden.

Dieses irre Ding steht nicht nur einfach so in der Niederlassung herum, es hat sogar ein Preisschild: BMW i8. Der Sportwagen der Zukunft. Umweltfreundlich. 126.000€. Mit 1,5l 3-Zylindermotor und Elektroantrieb.

3-Zylinder? Da muss ich unwillkürlich an den weißen Lamborghini Countach denken, der ultraschnell aussah, aber nur ein Kit-Car mit Käfermotor war. Immerhin hatte er vier Zylinder.

Wenn dieser 3-Zylinder Spaß machen soll, das müssen es ja richtige Super-Überzylinder sein. Kann man jauch erwarten, denn beim Grundpreis von 126.000€ macht das exakt 42.000€ pro Zylinder. Im direkten Vergleich scheint der 458 Italia bei Ferrari Krüger nebenan ein echtes Schnäppchen zu sein.

Der BMW i8 im Showroom

Egal. Die Karosserie ist trotz des Miniaturmotörchens eine nähere Betrachtung wert. Von allen Seiten schaut der i8 einfach nur genial aus. Die C-Säulen dienen wie im Ferrari Fiorano der Aerodynamik, die Rückleuchten sind wahre Kunstwerke, und die Endrohre … äh … Moment mal!

Ein Supersportwagen ohne Endrohre? Wie ist das möglich?

Jetzt reichts! Ein Sportwagen mit dem Datenblatt eines Öko-Auto, das kann doch nur der reinste Betrug sein! Ich beschließe, mir dieses Auto erklären zu lassen. Ich frage an der Rezeption nach Informationsmaterialen. Prompt kommt eine freundliche Dame auf mich zu, drückt mir einen Katalog in die Hand und begleitet mich zum Fahrzeug. Dort beginnt sie, mir das Fahrzeug zu erklären. Und sie hat viel zu erzählen. Sehr viel.

Nach einigen Minuten schwirrt mir der Kopf. Die Dame ist kompetent und hat ihren Titel „Product Genius“ wahrlich verdient. Ich jedoch bin nur ein mäßig begabter Programmierer. Es fällt mir schwer, all diese Dinge zu verstehen und in einen Zusammenhang zu bringen. Vielleicht bin ich auch einfach nur ein schlechter Zuhörer. Das einzige, was ich begreife, ist, dass ich vor einem technischen Wunderwerk stehe, das schlauer ist als Siri, dabei die Umwelt schont und trotz fehlender 3-9 Zylinder und der nicht vorhandenen Endrohre auch noch Spaß machen soll.

Zugegeben: die Karre sieht ziemlich geil aus, aber 3 Zylinder und Fahrspaß? Wirklich vorstellen kann ich mir das nicht. Es muss sich definitiv um eine Mogelpackung handeln, mit der frenetische grüne Ökofanatiker uns PS-Freaks ruhig stellen wollen, wenn sie demnächst den letzen unserer 12-Zylinder-Traumwagen vom Markt genommen haben.

„Kann das Ding denn auch fahren?“ frage ich zögernd und befürchte, dass man hierfür zumindest im Besitz eines Universitätsabschlusses, besser jedoch eines Doktortitels sein sollte.

„Aber natürlich! Moment…die Termine im Dezember sind schon alle ausgebucht, aber wie wäre es mit einer Probefahrt im Januar?“ schlägt die Dame begeistert vor.

Oops. Ich und meine große Klappe. Von mir aus. Fahr ich das Ding halt. Auch wenn ich den i8 optisch für durchaus gelungen halte, hält sich mein Enthusiasmus – angesichts der für einen 126.000€ teuren Sportwagen mageren Motorisierung – doch sehr in Grenzen.

Nichtsdestotrotz suche ich Anfang  des Monats wieder die Niederlassung auf. Tatsächlich wartet dort ein silberner BMW i8 an seiner Steckdose auf mich.

Ich habe mich derweil in den Prospekten schlau gelesen und weiß nun, dass dieser Sportwagen nur nicht einen 1,5l TwinPower Turbo Einspritzmotor mit 170 kW (231 PS) Leistung und 320 NM Drehmoment bei 3,700 U/min hat, sondern auch einen Elektromotor, der 96 KW (131 PS) und 250 NM leistet. Macht summa summarum eine Systemleistung von 266 KW (362 PS), die man als nett bezeichnen kann, aber in der Sportwagenwelt eigentlich niemanden wirklich vom Hocker reißt.

Der Benzinmotor treibt die Hinterachse, der Elektromotor die Vorderachse an. Übertragen wird die Kraft von einem Automatikgetriebe mit nicht 7, nicht 8, nicht 9, sondern – genau  – 6-Gängen. Willkommen beim Getriebe-Sparmenü der BMW AG!

Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass diese, für sich genommen eher durchschnittlichen Leistungswerte, einen überdurchschnittlichen Fahrspaß ergeben sollen.

Aber vielleicht sollte ich wirklich erst einmal fahren.

BMW i8 Innenraum

Der Innenraum des BMW i8

Die Flügeltüren öffnen weit, der Einstieg ist etwas gewöhnungsbedürftig. Man fädelt den rechten Fuß ein und rutscht zwangsläufig über einen Carbon-Schweller mit der Breite einer TV-Bank von IKEA. Hat man diese Hürde überwunden, sitzt man jedoch sehr bequem und hat in alle Richtungen jede Menge Platz. Die Sitze sind schlank geschnitten und lassen sich extrem weit zurückschieben, so dass auch Menschen mit den Beinen von Naomi Campbell Platz finden. Auffällig sind die blauen Sicherheitsgurte. Es gibt zwei Rücksitze, auf denen Kinder bis 1,50 gut sitzen können, die aber vor allem als Gepäckablage gedacht sind – denn der Kofferraum ist mit 150l knapp bemessen, da passt keine Getränkekiste rein, höchstens ein Sixpack Bier.

BMW i8 Innenraum

Der Innenraum ist großzügig, die Sitze überraschend bequem

Der lichte Innenraum wirkt sehr hochwertig, viele Bereiche sind mit feinem hellen Leder bezogen. Ich würde mir vielleicht noch einige Einlagen mit Sichtkarbon wünschen. Das Cockpit verbindet ein wunderbar futuristisches Design mit vertrauten BMW-Bedienelementen. Hat man den ersten Schrecken überwunden, findet man sich sofort zurecht.

Am Steuer des BMW i8

Am Steuer des BMW i8

Das Sportlenkrad hat eine blaue Lederintarsie und liegt perfekt in der Hand. Die digitalen Instrumente dahinter sind auf den ersten Blick etwas klein geraten, auf den zweiten aber sehr angenehm und nicht so aufdringlich wie im F01.

Im Unterschied zu anderen Modellen versucht BMW nicht, einfach nur analoge Instrumente aufs Display zu bannen, sondern hat eine übersichtliche Grafik entwickelt, die das Beste aus dem Medium herausholt und digitale wie analoge Informationen perfekt verwendet. Die Geschwindigkeit wird immer in sehr großen Ziffern angezeigt, so dass sich das Head-Up Display eigentlich erübrigt. Es gibt zwei Ladebalken: einen für den Benzinvorrat, einen für den Akku. Auf dem Bildschirm in der Mitte gibt es das übliche iDrive-System, leider spiegelt der Bildschirm ein wenig.

Die Verkaufsberaterin erläutert mir kurz die einzelnen Fahrmodi, dann darf ich los.

Der erste Teil der Strecke führt mich durch die Stadt. Ich möchte wissen, wie es ist, rein elektrisch zu fahren. Ich schiebe den Wählhebel auf D, aktiviere den elektrischen Modus und fahre vorsichtig los. Mit leisem Surren schiebt der gut 1,500kg schwere i8 nach vorne. Zaghaft steuere ich die breite Karosse durch Nebenstraßen. Der Blick nach vorne und zur Seite ist sehr gut, nach hinten sieht es etwas mau aus, im Ganzen ist die Übersicht deutlich besser als erwartet.

BMW_i8_14

Auf der Hauptstraße wage ich es, dem Elektromotor ein klein wenig die Sporen zu geben. Und siehe da: der kleine Kerl ist unerwartet kräftig! Jede Bewegung des Gaspedals wird sofort in Beschleunigung umgesetzt. Erstaunlicherweise fühle ich mich sehr gut motorisiert – 80 km/h sind schnell erreicht, es gibt keinerlei Verzögerung, kein Turboloch, sondern einfach nur jede Menge Drehmoment. Ungewohnt ist bloß, dass es dabei nicht einen einzigen Schaltvorgang gibt, der Elektromotor dreht einfach immer schneller. Es ist eine komplett neue Art des Fahrens. Ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber durchaus angenehm – und sehr dynamisch. Ein Benziner kommt da nicht mit.

Batterie leer. Tank voll. Elektrisch fahren macht Spaß!

Batterie leer. Tank voll. Elektrisch im Eco-Pro Modus fahren macht Spaß!


Die Ampelstops nutze ich, um mich mit der Elektronik auseinanderzusetzen. Das iPhone ist schnell per Bluetooth verbunden, ich kann auch meine Playlists ansehen. Ich starte die Wiedergabe, konzentriere mich aufs fahren, und merke erst nach einigen Minuten, dass der i8 sich offenbar ein Lieblingsstück ausgesucht hat: Acid von U.N.S.I.N.! Er wiederholt es in Endlosschleife und weigert sich, auch nur ein anderes Lied zu spielen. Das 900€ teure Harman/Kardon Lautsprechersystem mit 280 Watt reicht leider kaum aus, um die Karosserie der Flunder in Schwingungen zu versetzen. Schade, dass weder ein Bang & Olufsen High End Surround System noch ein größeres Harman/Kardon Surround Sound System mit 600 Watt erhältlich ist. Vielleicht tut sich da bei der nächsten Modellpflege etwas.

Bislang bin ich nur mit der Kraft des Elektromotors durch die Stadt geglitten. Wie mag sich wohl der Verbrenner anhören? An der Auffahrt zum Südschnellweg schiebe ich den Schalthebel nach links. Die Armaturen leuchten rot, statt der Energy-Control wird ein Drehzahlmesser angezeigt. Hinter mir ertönt das wütende Knurren eines Motors – er klingt, als hätte man einem Pitbull auf den Schwanz getreten! Offenbar ist er stinksauer, dass er erst jetzt seinen großen Auftritt haben darf und lässt seine Wut gnadenlos an Kurbelwelle und 20’ Rädern aus. Der i8 beschleunigt nicht einfach, er schießt wie eine Gewehrkugel die Auffahrt hinauf, als wären der Teufel und der Beelzebub persönlich hinter ihm her!

Der Elektromotor alleine ist schon ein munterer Geselle, aber was die beiden Motoren zusammen leisten, spottet jeder Beschreibung. Mögen 362 PS auf dem Papier stehen – in der Realität fühlen sie sich eher wie 560 muntere Hengste an.

Im Gegensatz zum Porsche merkt man im i8 die Geschwindigkeit nicht, der Wagen ist relativ leise und liegt wie ein Brett auf der Straße – kein Wunder: die Batterie, das schwerste Bauteil, ist unter der breiten Mittelkonsole – also genau im Schwerpunkt – verbaut. Wie ein breites Gokart nimmt der i8 die Kurven und scheint kaum einen Grenzbereich zu kennen.

Auf der A2 wurde kürzlich das Tempolimit von 130 km/h durch eine elektronische Beschilderung ersetzt. Wir haben Glück, es gibt (relativ) wenig Verkehr, auf einigen Abschnitten ist das Tempolimit aufgehoben. Ich darf das Gaspedal bis an die Boden-Carbonplatte drücken und der i8 schiebt voran, als gäbe es kein Morgen.

Mit den Paddeln am Lenkrad kann man manuell schalten, und es macht tierisch Laune: beim Schalten in den nächsthöheren Gang schnalzt der nicht vorhandene Auspuff wie ein Rennwagen der ADAC GT Masters, beim Runterschalten gibt der Motor eine gehörige Portion Zwischengas. Wenn der Sound auch synthetisch sein mag – geil ist er trotzdem, und ich bekomme mein Grinsen nur mit Mühe aus dem Gesicht.

Mühelos erreicht der i8 seine Höchstgeschwindigkeit von 254 km/h – und ist dabei überraschend leise, die Windgeräusche halten sich aufgrund des hervorragenden Luftwiderstands in Grenzen.

Fährt einem jemand vor die Plauze, was leider öfter vorkommt, versehen die Bremsen ihren Dienst ganz hervorragend und laden dabei den Akku für den nächsten Sprint. Natürlich treibt die Raserei den Verbrauch in die Höhe, so dass statt 0,0l plötzlich 9,0l auf der Verbrauchsanzeige stehen. An Ende muss ich 12l in den (aufpreispflichtigen) vergrößerten Kraftstofftank mit 42l Volumen nachkippen.

 

BMW i8 an der Zapfsäule

Der einzige Sportwagen, bei dem auch Tanken Spaß macht!

Im Berufsverkehr vermisse ich den Tempomaten mit automatischer Abstandsreglung. Wie kann es sein, dass solch ein Feature in einem zukunftsweisenden Auto wie dem BMW i8 nicht einmal gegen Aufpreis vorfügbar ist?

Und es gibt noch ein winziges Problem bei der Carbon-Flunder aus Leipzig: die Türen. Ja, sie sehen genial aus, aber leider brauchen sie eine ganze Menge Platz, der in einem engen Parkhaus meist leider nicht vorhanden ist. Mögliche Lösung: eine Funktion, mit dem das Auto automatisch einparkt oder gar in die Garage fährt!

Fazit: BMW ist mit dem i8 ein hervorragendes Automobil gelungen. Der Hybridantrieb arbeitet perfekt – wer hätte gedacht, dass, 3-Zylinder soviel Spaß machen können? Wer bisher Angst vor der Öko-Auto-Zukunft hatte, kann beruhigt sein: die Dinger sind richtig geil!

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